Elisabeth Thesing-Bleck

Pflanzenliebhaberin

Sumpfgarten

Mein fünfter Garten

Nicht selber Hand und Spaten anlegen musste ich bei der Neuanlage meines fünften Gartens. Meine Assistenz wurde beratend gebraucht und darüber hinaus meine persönlichen Beziehungen in die Gartenwelt.

Sumpfgarten 01Eine 100 Jahre alte Bauernkate war jahrzehntelang unbewirtschaftet gewesen. In dieser Periode gefiel es dem Bach, der in früheren Zeiten als Viehtränke und zur Trinkwasserversorgung der Hofstelle diente, sein angestammtes Bett zu verlassen und sich einen neuen Weg mitten durch den Hof, das verfallene Gemäuer und den ehemaligen Gemüsegarten zu suchen. Der Wasserlauf wurde im Rahmen umfassender Sanierungsarbeiten in sein altes Bett zurück verlegt. Übrig blieb ein sumpfig-morastiger Untergrund. Es brauchte schon eine gute Portion Mut und angeregter Fantasie, um sich vorzustellen, wie eine solche selbst mit Stiefeln kaum begehbare Fläche in einen formalen Bauerngarten zurück verwandelt werden könnte. Das extrem harte, kalkhaltige Wasser des kleinen Baches hatte zudem ein alkalisches Boden-Milieu geschaffen, wie es für ein Sumpf-Biotop normalerweise nicht üblich ist.

Sumpfgarten 02Natürliches Quellwasser mit extremer Wasserhärte kommt in Deutschland an nicht allzu vielen Stellen vor. Deshalb betreibt eine Forschungseinrichtung am Oberlauf des kleinen Baches eine biologische Beobachtungsstation. Die hier arbeitenden Biologen wurden deshalb als erstes um Ihre Einschätzung zur Fauna und Flora des zukünftigen Gartens gebeten. Ihre Bestandsaufnahme der hier heimischen Wildkräuter bildete im zweiten die Grundlage für eine standortgerechte Pflanzenauswahl.

Sumpfgarten 03Zu Leitpflanzen für dieses Biotops gehörten das große Schneeglöckchen (Galanthus elwesii), die echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale) und für die stärker stickstoffbelasteten Sumpfflächen der Große Merk (Sium latifolium L.), der auch Merle oder Wassersellerie genannt wird.

Die Rekultivierung des Grundstücks war mit eigenen Kräften nicht zu schaffen. Alle Bodenarbeiten wurden einer Spezialfirma übertragen, die Pflanzenauswahl und die Bepflanzung in Eigenregie durchgeführt.

Dieses Projekt schien von der fachlichen Herausforderung für eine geeignete Pflanzenauswahl das ambitionierteste meiner Projekte zu sein. Es stellte sich aber sehr schnell heraus, dass das natürliche Vorkommen der Pflanzen, die auf diesen Standort spezialisiert sind, den Weg wiesen, wie mit einer nachhaltigen, standortgerechten Bewirtschaftung dieses Grundstück in einen Traumgarten verwandelbar ist.

Sumpfgarten 04Ich lernte,

  • dass man selbst scheinbar aussichtslose Bodenverhältnisse in blühender Gartenparadiese verwandeln kann.
  • dass das aber nur gelingen kann, wenn man zuvor die an diesem Standort heimische Flora genau analysiert und sich diese als Vorbild für die Pflanzenauswahl zu Nutze macht.
  • hochspezialisierte Staudengärtnereien kennen und ihre Kataloge genau nach Standorthinweisen für die Pflanzenauswahl ab zu klopfen.
  • dass das Know-how über einen standortgerechte Pflanzeneinsatz in den Print-Ausgaben alter Gartenkataloge vorhanden war, aber heute im nur schwer auffindbar ist.
  • dass das von den Staudengärtnern der 1930er Jahre erarbeitete Wissen um die wichtigsten Standortfaktoren Prachtstauden zwar noch vorhanden ist und zum Teil auch noch gepflegt wird, aber nicht kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt werden kann.
  • dass die Angaben der britischen Horticultural Society nur dann auf deutsche Verhältnisse zu übertragen sind, wenn die unterschiedlichen Klimazonen nicht berücksichtigt werden müssen.
  • dass wir in Deutschland dringend eine Fachgesellschaft für Gartenfreunde brauchen, die vorhandenes Gartenwissen zusammenträgt, veröffentlicht und nicht nur den Fachleuten sondern auch den interessierten Laien neu vermittelt.

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Mein sechster Garten?

In mehr als 40 Jahren Gartenhobby sind auch die Gärten, die ich gestaltet habe, reifer und schöner geworden. Von vielen meiner langehegten Pflanzenschätze musste ich mich zu meinem großen Bedauern trennen, weil sie immer größer wurden und deshalb immer mehr Raum beanspruchen. Aber was macht man mit seinen liebevoll gepflegten Pflanzenlieblingen? Einfach auf den Kompost werfen?

Ich suchte mir eine Bürgerinitiative, die einen kleinen völlig verwilderten Stadtgarten in einem schnuckeligen Ortsteil einer Großstadt in ein nutzbares Kleinod überführen wollte. Viele meiner langjährig gehegten Freunde zogen hierher um. Sie erhielten eine Verjüngungskur und ein neues Zuhause und die Kinder dieses Ortsteils ein Paradies, in dem nicht nur sie sondern auch ihre Eltern, Großeltern und Freunde Luft zum Leben und Atmen haben.

Elisabeth Thesing-Bleck
Sumpfgarten