Elisabeth Thesing-Bleck

Pflanzenliebhaberin

Konzert im Grünen – Die heimlichen und unheimlichen Stimmen des Gartens

Es beginnt oft leise. Ein kaum hörbares Zirpen in der sommerwarmen Abendluft, das sich wie ein feiner Seidenfaden durch das Rascheln der Blätter zieht. Ein einzelner Frosch lässt seine Kehle schwingen, tief aus dem verborgenen Schatten des Teichufers. Und dann, fast unmerklich, wächst daraus ein vielstimmiger Chor, ein nächtliches Klanggewebe, das jeden, der zu hören bereit ist, in den Bann zieht: Der Garten erwacht – nicht durch Licht, sondern durch Klang.

Der Garten als Bühne der Wildnis
Der Garten, wie wir ihn meist erleben, ist ein Ort der Gestaltung, der Kontrolle, der kultivierten Natur. Doch jenseits unserer Blicke, unter Hecken, zwischen Wurzeln und im dunklen Geäst, entfaltet sich ein anderes Leben. Hier spielt sich ein Theater der Laute ab – mal zärtlich, mal wild, mal rätselhaft.

Frühjahr: Wenn der Garten singt
Der Frühling gehört den Vögeln. Noch vor dem ersten Licht beginnen sie ihr Programm. Amseln, Meisen, Finken, Zaunkönige – jede Art mit eigenem Stil, eigener Tonlage, eigenem Rhythmus. Ihr Repertoire ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrtausende langer Evolution und feinster akustischer Anpassung an Revier und Rivalen. Wer einmal den Wechselgesang eines Gartenrotschwanzes im Morgengrauen bewusst erlebt hat, wird nie wieder achtlos an ihm vorübergehen.

Um Vögel anzulocken, eignen sich dornige Gehölze wie Weißdorn, Schlehe oder Berberitze als sichere Rückzugsorte für Nistplätze. Auch dichte Vertikalbegrünungen werden gerne für den Nestbau genutzt.  Wertvolle Vogelnährgehölze sind zum Beispiel Eberesche, Holunder, Liguster, Felsenbirne oder verschiedene Wildrosen. 
 

Wenn der Sommer zirpt
Kaum ein Laut steht so sehr für warme Sommerabende wie das rhythmische Zirpen der Grillen. Es ist ein Gesang der Wärme – ein unermüdliches Schnarren, das nicht nur dem menschlichen Ohr schmeichelt, sondern auch Paarungsbereitschaft signalisiert. Die Hecken, trocken und sonnenverbrannt, werden zur Arena, in der sich Männchen in akustischer Dauerpräsenz üben. Für das entspannende Zirpen von Heuschrecken und Grillen ist eine vielfältige, intensiv bepflanzte und insektenfördernde Umgebung entscheidend. 

Der Ruf des Unheimlichen
Ganz anders und oft verstörend wirkt das nächtliche Husten der Füchse. Heiser und beinahe menschlich klingt es, als ob sich ein verlorener Wanderer im Nebel des Frühherbstes räusperte. Füchse markieren so ihr Revier – mit einer Stimme, die aus alten Märchen zu stammen scheint.

Nicht weniger eindringlich ist das röhrende, kehlig-schnaufende Liebesspiel der Igel. Wer es in einer feuchten Juninacht vernimmt, glaubt kaum, dass es sich hier um das zierlich wirkende Stacheltier handelt. Wild und fast grotesk klingt es – als wolle sich das Tier gegen seine eigene Verletzlichkeit anschreien.



Vom lästigen Gurren und anderen Irrtümern
Auch die oft geschmähten Stadttauben gehören zur Gartenakustik. Ihr weiches, stoßweises Gurren mag als monoton gelten, ist jedoch Teil einer uralten urbanen Klanglandschaft. Ebenso das kaum bekannte, aber unheimlich eindrückliche Rufen der Waldkätzchen – jenen scheuen Wildtieren, die in der Dämmerung ihre Reviere beklagen. Ihre Stimme trägt etwas Einsames in sich, eine Unruhe, die bis ins Mark dringen kann.

Nächtliche Schreie – und der Schrei der Eule
Schließlich wäre da noch der Ruf der großen Eulenarten. Der Waldkauz ruft, als würde eine rostige Tür in weiter Ferne aufgestoßen. Die Stimme der Waldohreulen ertönen in der Brutzeit die ganze Nacht lang. Sie erinnern an eine Kreissäge, mit der Holz in kleine Stücke geteilt wird. Die Uhu-Dame, majestätisch und gefährlich, lässt ein kehliges, dumpfes „bu-ho“ ebenfalls des nachts rollen – Laute, der das Prädikat mythisch verdienen.

Winter – Die große Stille
Wenn der Winter in den Garten Einzug hält, verändert sich nicht nur das Bild, sondern auch der Klang – oder besser das Fehlen davon. Die Luft ist zuweilen klar, das Licht gedämpft, und selbst der Wind scheint dann leiser zu wehen. Die vielstimmigen Chöre des Frühlings und des Sommers verstummen, Die großen Tiere schlafen. Igel, Dachse und Siebenschläfer haben sich in ihr stilles Winterquartier zurückgezogen.  Der Fuchs, sonst ein heiserer Rufer der Nacht, wird vorsichtig und schweigsam. Die Eulen bleiben – doch selbst ihr Ruf hallt jetzt gedämpft durch das kahle Geäst.

Und manchmal fällt Schnee. Eine dichte, watteweiße Decke, die jedes Geräusch schluckt. Schritte knirschen, Äste knacken, doch der Garten selbst ist stumm. Es ist eine Stille, die fast ehrfürchtig macht – keine Abwesenheit von Geräuschen, sondern ein Innehalten. Wer in dieser Zeit lauscht, hört vielleicht nichts – und genau darin liegt der Zauber dieser Jahreszeit.


Ein Garten ist nicht still – er lebt in Stimmen
Wer den Garten nur mit den Augen betrachtet, hat ihn nur zur Hälfte erfasst. Die wahre Magie liegt im Lauschen. Zu wissen, dass jedes Geräusch eine Geschichte erzählt – von Paarung, von Warnung, von Revier, von Heimkehr – macht aus dem Garten eine Klanglandschaft, die sich im Rhythmus der Jahreszeiten ständig wandelt.

Lassen wir uns ein auf das große, leise Schauspiel.
Mit offenem Ohr und aufmerksamem Herz.

Bilder:  © Jon Pauling / Pixabay; © Brigitte JAUFFRINEAU / Pixabay; Bild © Myriams-Fotos / Pixabay

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Elisabeth Thesing-Bleck
Konzert im Grünen – Die heimlichen und unheimlichen Stimmen des Gartens